Eindrücklich zeigte diese Menti-Umfrage, dass die Teilnehmenden "Normdaten" mit einer ganzen Reihe guter Eigenschaften verknüpfen – Auffindbarkeit, Eindeutigkeit und Vernetzung sind nur einige von ihnen.
Die Normdaten der GND werden in unterschiedlicher Art und Weise verwendet, wie anhand der Antworten auf die Frage nach den Nutzungsszenarien zu sehen ist. So setzt sie ein großer Teil zu Recherchezwecken, zur Verknüpfung und Anreicherung der Metadaten ein. Rund ein Drittel der Teilnehmenden erstellt und bearbeitet Datensätze in der GND.
Erfahrungs- und Werkstattberichte zum Einsatz der Gemeinsamen Normdatei in der archivischen Erschließung
Im nachfolgenden Programmteil stellten das Deutsche Literaturarchiv Marbach, das Deutsche Exilarchiv 1933-1945, die Staatlichen Archive Bayerns und das Landesarchiv Baden-Württemberg vier konkrete Anwendungsfälle und Erfahrungsberichte zum Normdateneinsatz in der archivischen Erschließung vor. Janet Dilger und Lena Hafenrichter vom Deutschen Literaturarchiv Marbach berichteten davon, wie Normdaten in ihrem Haus verwendet werden, um die sehr unterschiedlichen Bestände in den im Haus geführten Katalog miteinander zu verknüpfen sowie um eine bessere Auffindbarkeit von zusammengehörigen Objekten und Informationen durch die Nutzenden zu ermöglichen. Am Beispiel der bei den Staatlichen Archiven Bayerns jüngst implementierten Funktionalitäten demonstrierten Dr. Michael Puchta und Dr. Johannes Haslauer die Optionen der manuellen sowie der automatisierten Verknüpfung der Verzeichnungsdaten mit Normdatensätzen. Sie wiesen darauf hin, dass insbesondere die automatisierte Verknüpfungsmöglichkeit mit zahlreichen Herausforderungen verbunden ist, die vor allem aus dem geringen Standardisierungsgrad der archivischen Altdaten sowie aus der Inkongruenz von Verzeichnungs- und Normdatensätzen herrührt. Die Möglichkeit, Normdaten überhaupt in Archivinformationssystemen einbinden zu können, ist noch lange nicht die Regel – umso interessierter waren die Nachfragen zur Nachnutzung der vorgestellten Softwarelösung. Besonders auffällig wird das Fehlen solcher Einbindungsmöglichkeiten in die eigene Software auch, wenn die Anforderungen an die Normdatenreferenzierung aufwendiger werden und etwa mehr als ein Normdatensatz mit einem Verzeichniseintrag verbunden werden soll. So stellte Dr. Jörn Hasenclever vom Deutschen Exilarchiv 1933-1945 den Bestand des Archivs der Exilorganisation "American Guild for German Cultural Freedom" vor, für dessen intensive Erschließung es notwendig ist, eine ganze Abfolge von Ortsnormdatensätzen mit einem Schriftstück zu verknüpfen, um dessen "Reiseweg" für die genaue Recherche und Forschung festhalten und visualisieren zu können. Möglichkeiten, solche Anforderungen in einem Katalog oder Archivinformationssystem nachzuhalten, fehlen aber momentan bis auf sehr spezifische Einzelfälle noch. Was aber bereits jetzt möglich ist, ist die Anreicherung mit GND-Normdaten von Datensätzen aus Archiven, etwa im Zuge der Aufbereitung vor einer Ausstellung oder der Lieferung an ein Portal. Mit der GND-Schnittstelle in OpenRefine stellte Verena Mack von der GND-Agentur LEO-BW-Regional einen recht niedrigschwelligen Weg für die Anreicherung auch von größeren Datensets vor. Wichtig sei dabei aber immer zu beachten, dass standardisierte archivische Daten nicht deckungsgleich mit den standardisierten bibliothekarischen Daten und damit auch den Normdatensätzen sind. Für eine Anreicherung mit der GND müssen die Daten stärker normiert sein – oder werden.
Die Werkstattberichte zeigten, dass für die flächendeckende Nutzung von Normdaten in der archivischen Erschließung noch einige – insbesondere technische, aber auch strukturelle – Fragen offen sind. Erste sehr erfolgreiche Schritte in diese Richtung wurden aber bereits begangen und die Bereitschaft ist groß, die gesammelten Erfahrungen mit der Community zu teilen und Wissen, aber auch Tools zur Nachnutzung, bereitzustellen.
Personennormdaten, Geo-Referenzierung, sachthematische Verschlagwortung und Zusammenarbeit der Archive – Impulse und Diskussion
Das zentrale Anliegen des Forums war es, den Teilnehmenden Raum für den Austausch über Themen und Fragestellungen zu bieten, die im Fokus von Archivar*innen stehen, wenn sie GND-Normdaten nutzen oder künftig nutzen wollen. Zur Vorbereitung auf die anschließende Diskussion in World Cafés waren Impulsvorträge zu den Themenclustern "Personen", "Geografika" und "Verschlagwortung" zu hören. Johannes Renz (Landesarchiv Baden-Württemberg) berichtete aus dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart über den aus der Erschließung mit Normdaten wachsenden Bedarf an neu anzulegenden Personendatensätzen in der GND. Dabei warf er die dann auch später diskutierte Frage auf, in welchen Fällen Personennormdaten für die archivische Erfassung benötigt und angelegt werden können. Den Nutzen von Geografika-Normdaten und deren Referenzierung für die Erschließung und Rechercheanwendungen betonte Dr. Peter Sandner (Hessisches Landesarchiv). Er verdeutlichte anhand ausgewählter Beispiele, dass es innerhalb der "Archivwelt" eine tiefergehende Verständigung über Praxis und Regeln braucht, wie GND-Normdaten zur Verknüpfung von Ansiedlungen (populated places) genutzt werden können. Dr. Mirjam Sprau (Bundesarchiv) stellte die Bedeutung von GND-Sachbegriffen für die formale Ressourcenbeschreibung und sachthematische Verschlagwortung heraus und benannte die daraus für die Erschließung im Archiv entstehenden Herausforderungen.
Die Impulsbeiträge stimmten die Teilnehmenden auf die nachfolgenden World Cafés ein, in denen sie zur Diskussion über die Themenkomplexe Personennormdaten, geografische Referenzierung, Verschlagwortung mit GND-Sachbegriffen sowie Ziele und Wege zur verstärkten Zusammenarbeit der Archive im GND-Netzwerk eingeladen waren. Hier hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, sich zu diesen Themenkomplexen, wie auch über allgemeine Anforderungen aus archivischer Sicht an die GND, auszutauschen.
Personen
Die „Eignungskriterien“ für Personen sind noch nicht bekannt genug, um immer nachvollziehbar entscheiden zu können, welche in den Archivalien aufgefundenen Personen in die GND aufgenommen werden sollten. Es besteht ein Bedarf an Schulungen und weiteren Informationen. Daneben erscheint eine vertiefte Auseinandersetzung mit den GND-Eignungskriterien und ein Abgleich aus Sicht mit archivischen Belangen sinnvoll. Der derzeitige Überhang von Personen mit Bezug zu bibliothekarischen Medien wie Autor*innen oder Herausgeber*innen macht es schwierig, mit GND-Personendatensätzen zu arbeiten, ohne eine große Zahl von Personen als Normdatensätze neu ansetzen zu müssen.
Bei manchen Personen müssen derzeit noch andere digitale und analoge Nachschlagewerke hinzugezogen werden. Es besteht ein grundsätzlicher Bedarf an weiterer Vernetzung dieser Nachschlagewerke mit der GND.
Das derzeitig im GND-Ausschuss diskutierte Streichen von Geschlechtsangaben und gendersensiblen Berufsangaben in Personen-Normdaten kann aus Sicht der Teilnehmenden für die archivische Erschließung nicht unterstützt werden.
Geografika
Die Anwendungsfälle und der Einsatz normierter Ortsdaten in den Archiven sind sehr vielfältig. Doch nicht alles wird sinnvoll mit der GND abzudecken sein und muss deshalb durch weitere Thesauri ergänzt werden. Hier kam insbesondere geonames zur Sprache.
Es besteht großer Informationsbedarf, was die historisch gewachsene Ansetzung von Geografika in der GND angeht. Dies betrifft die Regeln zu den Geografika in der GND allgemein (zum Beispiel "Splittingregel") und die Frage, welche Anwendungsfälle mit der GND abzudecken sind.
Historische Orte und Wohnplätze sind bisher nur sehr unvollständig in der GND abgebildet. Inwieweit ist die Einspielung weiterer historischer Ortsverzeichnisse in die GND möglich?
Sachbegriffe
Das Thema Sachbegriffe umfasst sehr unterschiedliche Anwendungsbereiche (z. B. die Verwendung normierter Berufsbezeichnungen, ideengeschichtliche Sachschlagworte zur Inhaltsbeschreibung etc.).
Die Einbindung einer Verschlagwortung mit normierten Sachbegriffen sollte die „Enthält“-Vermerke nicht ersetzen, da historische Begriffe aus den Archivalien sichtbar bleiben sollen.
Die sachthematische Verschlagwortung mit Sachbegriffen der GND kann die Inhaltsangabe aus der archivischen Erschließung ergänzen. Diskutiert wurde die damit einhergehende unterschiedliche Aufnahme der Archivalie unter dem Blickwinkel "Thema vs. Inhalt".
Die Regeln der GND zur Ansetzung historischer Einzelereignisse sind unter Archivarinnen und Archivaren nicht ausreichend bekannt, ihre Umsetzung ist mitunter schwierig.
Ziele und Zusammenarbeit:
Die GND und andere Normdateien sind wichtig für die Archive zur Vernetzung der Daten – von den eigenen Online-Findmitteln bis zu den übergeordneten Portalen.
Dem Prinzip "linked data" sollte dabei hohes Gewicht eingeräumt werden, damit ein hohes Maß an Interoperabilität und Automatisierung erreicht werden kann.
Eine Einbindung von Normdatenschnittstellen in die Software ist unabdingbare Voraussetzung und sollte gemeinschaftlich befördert werden. Intelligente Hilfstools sollten nach Möglichkeit sukzessive integriert werden.
Fortschreitender Austausch als großer Fokus: Hürden müssen abgebaut, Informationen noch besser zugänglich gemacht und die Möglichkeiten der Nutzung und Mitwirkung stärker beworben werden.
Es besteht ein großer Bedarf an Schulungen und Workshopformaten (gerade auch zur Anwendung technischer Tools sowie zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch im Sinne von best practice).
Auch eine Einbindung in die archivische Ausbildung, etwa durch GND-Anwender*innen, ist denkbar und erscheint erstrebenswert.
Es braucht mehr Agenturen und/oder Redaktionen, die sich um die Normdatenbelange der Archive kümmern und es möglich machen, dass weitere Archive an der GND mitarbeiten.
Spezifische inhaltliche Bedarfe an Datensätzen resultieren aus konkreten Tätigkeits- und Zuständigkeitsfeldern von Archiven wie etwa der Biologie (z.B. lateinische Tier- und Pflanzenbezeichnungen) oder der Soziologie (z.B. antirassistisches und feministisches Vokabular).
Die Interessen der Archive im gesamten DACH-Raum sollten in den Blick genommen werden.