Barbara K Fischer, Deutsche Nationalbibliothek, AfS
Jens Ohlig, Wikimedia Deutschland e.V.
credit image: Wikimedia Deutschland CC BY SA
complete record: Das vorliegende Werk ist eine Bearbeitung der Werke „Books HD“ von Abhi Sharma, lizenziert unter CC BY 2.0 und "Gravis UltraSound PnP Pro V1.0" von TMg, lizenziert unter CC BY-SA 2.0 DE, bearbeitet in Hinblick auf Überblenden der beiden Werke sowie anschließende Farbanpassung durch Matthias Wörle, lizenziert unter CC BY-SA 4.0.
Kann man Normdaten wikifizieren?
Wikibase wurde für die Gemeinsame Normdatei (GND) evaluiert
Wikimedia Deutschland e.V. und die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) haben gemeinsam in den vergangenen Monaten die Eignung von Wikibase als Software für die Gemeinsame Normdatei (GND) evaluiert. Der proof of concept untersucht, ob Wikibase – die Software hinter Wikidata – die Zusammenarbeit mit Bibliotheken sowie diversen Communities vereinfachen würde. Barbara Fischer, liaison counsel an der Arbeitsstelle für Standardisierung (AfS) der Deutschen Nationalbibliothek und Jens Ohlig von Wikimedia Deutschland e.V. stellen im Gespräch die Ergebnisse vor.
Jens Ohlig: Mit der digitalen Transformation wächst der Bedarf in wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen, Museen und Archiven nach einer verbesserten Auffindbarkeit digitaler Kulturdaten im Netz. Lange nutzten nur Bibliotheken die Gemeinsame Normdatei (GND). In Bibliothekskatalogen werden primär Normdaten verwendet um z. B. Autoren, Publikationsorte oder Sachthemen eindeutig zu kennzeichnen. Das erleichtert die Erfassung neuer Medien, hilft aber auch unterschiedliche Medien miteinander über Normdaten als gemeinsame Knotenpunkte zu verknüpfen.
Barbara Fischer: Im Zuge des digitalen Wandels steigt der Bedarf nach verlässlichen und interoperablen Normdaten. Die ursprünglich für Bibliotheken konzipierte GND weckt das Interesse der anderen Kulturgut bewahrenden Institutionen. Man möchte nicht nur die GND-Identifikatoren nutzen, sondern bei Bedarf neue GND-Datensätze anlegen und pflegen können, die Bezug nehmen auf museale Objekte, Archivalien und Forschungsdaten. Das DFG-geförderte Projekt GND für Kulturdaten (GND4C) verdeutlicht diesen Bedarf. Zugängliche Software und eine technisch überzeugende Plattform hilft, Regeln und Ausnahmen zur Modellierung festzulegen sowie, relevante Eigenschaften und Relationen zu reflektieren, diskutieren und dokumentieren. Im Kontext von Linked Open Data wird Verlässlichkeit der Daten immer stärker an die Transparenz und Nachvollziehbarkeit ihrer Referenzierung geknüpft. Und das für jede einzelne Aussage. Zudem macht das Internet vor Sprachgrenzen nicht halt. Deshalb ist die Multilingualität der Benennungen erwünscht. . Wikidata erfüllt alle diese Kriterien und ist doch keine Normdatei. Jedoch basiert Wikidata auf der von Wikimedia Deutschland entwickelten Software Wikibase. In einem gemeinsamen Kooperationsprojekt mit Wikimedia Deutschland hat die Deutsche Nationalbibliothek daher die Leistungsfähigkeit von Wikibase für die GND untersucht und nach folgenden Kriterien getestet:
Wie könnte eine modulare GND "2.0" in Wikibase aussehen, die den Anforderungen der verschiedenen Sparten gerecht wird?
Wie lassen sich effektiv und überschaubar die Regeln zu den modellierten Eigenschaften der Entitätstypen abbilden?
Wie lässt sich eine stabile Synchronisierung zwischen einer GND-Wikibase-Instanz zur CBS-basierten Master-Instanz umsetzen?
Die Ergebnisse sind ermutigend. Wikibase ist eine Brücke in die Welt der offenen, kooperativ und interdisziplinär erstellten Normdaten. Der proof of concept zeigt, dass diese Brücke tragfähig ist.
Could you wikify an authority file?
Wikibase has been evaluated for the Integrated Authority File (GND)
Wikimedia Deutschland e.V. and the German National Library (DNB) have jointly evaluated the suitability of Wikibase as software for the Integrated Authority File (GND) in recent months. The proof of concept examines whether Wikibase – the software behind Wikidata – would simplify collaboration with libraries and various communities. Barbara Fischer, liaison counsel at the Office for Library Standards (AfS) der Deutschen Nationalbibliothek and Jens Ohlig of Wikimedia Deutschland e.V. present the results in a discussion:
Jens Ohlig: With the digital transformation, there is a growing need in scientific research institutions, museums and archives for improved retrieval of digital cultural data on the Internet. For a long time, only libraries used the Integrated Authority File , or German “Gemeinsame Normdatei” (GND). In library catalogues, authority control data are primarily used to unambiguously identify items such as authors, publication locations or subject areas. This facilitates the entry of new media, but also helps to link different media with each other via standardized data as common nodes.
Barbara Fischer: In the course of digital change, the demand for reliable and interoperable standardized data is increasing. The GND, originally designed for libraries, sparks the interest of other institutions that preserve cultural heritage. They want to be able to use not only the GND identifiers. But they also want to create and maintain new GND data sets, if necessary, which refer to museum objects, archival documents and research data. The DFG-funded project GND for Cultural Data (GND4C) illustrates this need. Accessible software and a technically convincing platform might help to define rules and exceptions for modelling and to reflect, discuss and document relevant properties and relations.
In the context of Linked Open Data, data reliability is increasingly the connector to the transparency and traceability of its provenance. And this is requiredto be done for each individual statement. Moreover, the Internet does not stop at language borders. Therefore, the multilingualism of the terms is desirable. Wikidata meets all these criteria and yet is not an authority file. However, Wikidata is based on the software Wikibase developed by Wikimedia Deutschland. In a joint cooperation project with Wikimedia Deutschland, the German National Library has investigated the performance of Wikibase for the GND and tested it according to the following criteria:
How would a modular “GND 2.0" look like in Wikibase that meets the requirements of the different sectors?
How can the rules for the modeled properties of the entity types be mapped effectively and clearly?
How can a stable synchronization between a GND Wikibase instance and the CBS-based master instance be implemented?
The results are encouraging. Wikibase is a bridge to the world of open, cooperative and interdisciplinary authority control data. The proof of concept shows that this bridge is viable.
Was hat uns überzeugt?
Jens Ohlig: Wikimedia und die Deutsche Nationalbibliothek sind zwei Institutionen, die auf unterschiedliche Weise Wissen zur Verfügung stellen. Bibliotheken sind nicht nur starke Verbündete in Sachen Freies Wissen, sondern in gewisser Weise die älteren, institutionellen Wahlverwandten von Wikimedia. Die GND-IDs sind mit den Q-Nummern von Wikidata durchaus zu vergleichen. Viel Überzeugungsarbeit war da für das Projekt nicht mehr nötig. Hinzu kommt, dass die Deutsche Nationalbibliothek und die GND als Leuchtturm quasi über das gesamte Feld der Bibliotheksmetadaten strahlt – daher weckte die Evaluation auch international Interesse an Wikibase. Auf einem Treffen von Nationalbibliotheken in Stockholm im Sommer 2019 war das Interesse an Wikibase deutlich zu sehen: denn ohne eine Strategie zu Linked Open Data und Wikibase geht es heutzutage nicht mehr.
Barbara Fischer: Aus der Perspektive der Deutschen Nationalbibliothek hat die Leichtigkeit überzeugt, mit der wir Instanzen anlegen und modellieren konnten. Wir brauchten in unserem gemischten Team aus Softwareentwickler*innen und Bibliothekar*innen keine langwierigen Schulungen, um mit der Software arbeiten zu können. Die Instanzen liefen einmal eingerichtet stabil und waren auch leicht zu klonen. Für uns als Betreiber einer Normdatei ist es wichtig, die Verlässlichkeit der Daten unter anderem über die Transparenz ihrer Herkunft herzustellen. Daher gefällt uns, dass es sich jederzeit und für jede Aussage zu einer Entität nachverfolgen lässt, wer etwas verändert hat, und was verändert wurde. Ganz wie man es auch von Wikipedia kennt.
What convinced us?
Jens Ohlig: Wikimedia and the German National Library are two institutions that make knowledge available in different ways. Libraries are not only strong allies in terms of Free Knowledge, but in a way they are the older, institutional congenial relatives of Wikimedia. The GND-IDs are quite comparable to the Q-numbers of Wikidata. Much more of persuasion was not needed to start the project. In addition, the German National Library and the GND as a lighthouse shines virtually across the entire field of library metadata - therefore the evaluation also aroused international interest in Wikibase. At a meeting of national libraries in Stockholm last summer, the interest in Wikibase was obvious: because without a strategy for Linked Open Data and Wikibase, it will no longer work.
Barbara Fischer: From the perspective of the German National Library, the ease with which we could create and model instances was convincing. In our mixed team of software developers* and librarians* we didn't need any lengthy training to be able to work with the software. Once set up, the instances were stable and easy to clone. For us, as operators of authority files, it is important to ensure the reliability of the data, among other things, through the transparency of its provenance. That's why we like the fact that it can be traced at any time and for any statement on an entity, who changed something and what was changed. Just like you know it from Wikipedia.
Was hat uns überrascht?
Jens Ohlig: Wikibase ist als Software für Wikidata entstanden, um Datenbestände zu ordnen und zu verknüpfen. Die damit abbildbaren Datenmodelle sind nicht explizit auf Bibliotheken und ihre speziellen Bedürfnisse ausgerichtet: Wikibase ist keine Bibliothekssoftware. Trotzdem passt das flexible Datenmodell sehr gut zur GND, alle Beziehungen und Eigenschaften lassen sich hier abbilden und ausdrücken. Sowohl die Genauigkeit der Evaluation - zum Beispiel wurde genau gemessen, wie lange der Import von Daten dauerte - als auch das Ergebnis, nach dem Wikibase den Anforderungen entspricht, waren für Wikimedia eine positive Überraschung. Dass Wikibase als Software-Paket für Linked Open Data “out of the box” für eine Institution wie die Deutsche Nationalbibliothek und das Projekt GND so passgenau ist, war überraschend.
Barbara Fischer: Wir von der Deutschen Nationalbibliothek hatten uns vieles leichter vorgestellt. Gerade weil Wikidata selbst ja eine sehr mächtige Datenbank ist, hätten wir gedacht, dass der Import von größeren Datenmengen bereits zu den Standardumsetzungen gehört. Vielleicht war es unsere Perspektive als Kulturinstitution und unsere mangelnde Erfahrung mit einer offenen Anwendung wie Wikibase mit ihrer engen Verflechtung mit der Mediawiki-Software zunächst ungewöhnlich erschien. Eine so enge, auch im Code eingeschriebene Verbindung ist für die Wikipedia und viele anderen Wikis normal, doch unerwartet wenn man mit einer Datenbanksoftware rechnet. Die Entwicklung ist sehr unmittelbar von einer freiwilligen Community getrieben, was auch erklärt , warum nach wie vor viele der attraktiven Ergänzungen Wikidata-affin sind und für eine generische Nachnutzung durch alle Wikibase-Anwenderinnen und Anwender erst adaptiert werden müssten. Aber im Großen und Ganzen bietet Wikibase ein für uns nutzbares Arbeitsambiente.
Wirklich positiv überrascht hat uns das Potenzial einer offenen GND - einer GND 2.0 - in bezug auf die Möglichkeit, das ganze Beziehungsgeflecht der Eigenschaften und Beziehungen, sowie wie diese definiert sind, abbilden zu können. Die Regelwerke, die notwendig sind, um tatsächlich verbindliche und verlässliche Normdaten kreieren zu können, lassen sich in eine Wikibase Instanz übertragen. Nach unseren bisherigen Tests glauben wir, dass wir damit die in Wikibase modellierten Regelwerke nutzen könnten, um intelligente und sich dynamisch anpassende Eingabemasken steuern zu können. Das verspricht, die Zusammenarbeit mit Nicht-Bibliothekar*innen erheblich zu vereinfachen. Die Zukunft wird zeigen, ob sich dieses Versprechen einlösen lässt.
What surprised us?
Jens Ohlig: Wikibase was created as software for Wikidata to organize and link data stocks. The data models that can be mapped with it are not explicitly geared towards libraries and their special needs. Wikibase is not library software in the first place. Nevertheless, the flexible data model fits very well with GND, all relationships and properties can be mapped and expressed here. Both the accuracy of the evaluation – for example, the time taken to import data was measured exactly – and the result that Wikibase meets the requirements were a positive surprise for Wikimedia. It was surprising that Wikibase, as a software package for Linked Open Data, is so nicely suited "out of the box" for an institution like the German National Library and the GND project.
Barbara Fischer: We at the German National Library had imagined many things to be easier. Precisely because Wikidata itself is a very powerful database, we would have thought that importing large amounts of data was already part of the standard implementation. Perhaps it was our perspective as a cultural institution and our lack of experience with an open application such as Wikibase with its close integration with the Mediawiki software that initially seemed unusual. Such a close connection, also inscribed in the code, is normal for Wikipedia and many other wikis, but it is unexpected when one reckons with database software. The development is directly driven by a voluntary community, which also explains why many of the attractive additions are still Wikidata-affine and would first have to be adapted for generic re-use by all Wikibase users. But on the whole, Wikibase offers a useful working environment for us.
We were really surprised positively by the potential of an open GND - a GND 2.0 - with regard to the possibility of being able to map the entire network of properties and relationships, as well as how these are defined. The sets of rules that are necessary to create truly binding and reliable authority control data can be transferred to a Wikibase instance. Based on our tests so far, we believe that we could use the rule sets modeled in Wikibase to control intelligent and dynamically adapting input masks. This promises to greatly simplify collaboration with non-librarians. The future will show whether this promise can be kept.
Und was bringt die Zukunft?
Barbara Fischer: Da die GND eingebunden ist in ein ganzes System von Diensten für den nationalen Bibliothekssektor, werden wir die Normdatenbank auch in dem bisherigen System fortführen. Aber wir möchten mit einer vollständigen GND-Wikibase-Instanz den Normdaten ein zweites Zuhause geben und Außenposten für Erweiterungen einrichten, die in der bisherigen Umgebung nur schwer umzusetzen sind. Wir wollen mit Wikibase einen erweiterten Zugang zur GND schaffen für Interessengruppen, für die die bibliothekarischen Redaktionsoberflächen nicht geeignet sind.
Die nächsten Schritte sind daher der vollständige Import der circa acht Millionen GND-Einträge, die Modellierung der Eigenschaften gemäß des GND-Datenmodells, die Dokumentation der Regeln, nach denen die Entitäten erfasst werden und schließlich eine belastbare Synchronisierung der Wikibase-Instanz mit dem “Master” im traditionellen CBS-System.
Jens Ohlig: Da liegt noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns. Wikibase ist ein Speicher für strukturierte Daten. Vieles, was Bibliothekar*innen bei der täglichen Arbeit benötigen, fehlt noch: von der Konvertierung von Standardformaten wie die bibliographischen Datenformate MARC21 oder PICA+ hin zu spezialisierten Interfaces zur Dateneingabe in intelligenten Formularen. All dies muss jetzt entwickelt und an die Software angepasst werden.
Im Verlauf des Jahres 2020 liegt jetzt die konkrete Planung für den Einsatz von Wikibase bei der GND vor uns. Die Partnerschaft von Wikimedia und der Deutschen Nationalbibliothek hat sich bewährt. Zusammen wollen wir eine Wikibase-basierte GND weiterentwickeln und zum Einsatz bringen. Mit der GND auf der Grundlage von Wikibase wächst im Ökosystem der freien verlinkten Daten eine starke Grundlage heran, die das Interesse von vielen anderen Institutionen weckt: z. B. die französische Nationalbibliothek Bibliothèque Nationale de France (BNF) und der Hochschulbibliotheksverbund ABES in Frankreich arbeiten bereits an ihrem eigenen Prototypen mit Wikibase. Grund genug für die Deutsche Nationalbibliothek und Wikimedia mit der BNF und ABES in den kommenden Wochen den Austausch bei einem gemeinsamen Treffen in Paris zu suchen. Wir sind zuversichtlich, dass Wikibase nicht nur eine Heimstatt für Normdaten werden kann, sondern dass diese sich mit der Zeit im Sinne eines Linked-Open-Data-Ökosystems wikifizieren.
And what bears the future?
Barbara Fischer: Since the GND is integrated into a whole system of services for the national library sector, we will continue the authority file in the current system. But with a complete GND Wikibase instance, we want to give the GND a second home and set up outposts for extensions that are difficult to implement in the current environment. With Wikibase we want to create an extended access to the GND for interest groups for whom the librarian editorial interfaces are not suitable.
The next steps are therefore the complete import of the approximately eight million GND entities, the modeling of the properties according to the GND data model, the documentation of the rules according to which the entities are captured and finally a resilient synchronization of the Wikibase instance with the "master" in the traditional CBS system.
Jens Ohlig: There is still a lot of work ahead of us. Wikibase is a storage for structured data. Much of what librarians need in their daily work is still missing: from the conversion of standard formats like the bibliographic data formats MARC21 or PICA+ to specialized interfaces for data entry in intelligent forms. All this must now be developed and adapted to the software.
In the course of the year 2020, concrete plans for the use of Wikibase at GND are now before us. The partnership between Wikimedia and the German National Library has proven successful. Together we want to further develop a Wikibase-based GND and put it into use. With the GND based on Wikibase, a strong foundation is growing in the ecosystem of free linked data, which is attracting the interest of many other institutions. For example, the French national library Bibliothèque Nationale de France (BNF) and the university library association ABES in France are already working on their own prototype with Wikibase. Reason enough for the Deutsche Nationalbibliothek and Wikimedia with the BNF and ABES to seek an exchange at a joint meeting in Paris in the coming weeks. We are confident that Wikibase will not only become a home for authority files, but that it will evolve over time into a linked open data ecosystem.
How it started: blog post: GND meets Wikibase 1
"Es geht um das Ordnen von Dingen in der Welt" Jens Ohlig über strukturierte Daten.
wordcloud based on this article in German empowered by https://www.wortwolken.com/ under CC BY SA