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Ein Beitrag zur Klärung der Frage, was das Corona-Virus und die Normdaten der GND verbindet. 

Seit einigen Tagen erinnern mich diverse elektronische Gedächtnisstützen daran, dass gerade die erste regionale GND4C-Informationsveranstaltung in Leipzig hätte stattfinden sollen. Dann kam Corona und alles wurde anders. Ich vermisse den Austausch mit Ihnen. Im Projektteam von GND4C, dem DFG-Projekt, das untersucht wie die Gemeinsame Normdatei (GND) für Kulturdaten nutzbarer gemacht werden kann, hatten wir uns auf den lebendigen Austausch mit Ihnen gefreut. Jetzt müssen wir alle zuhause bleiben und das Beste daraus machen.

Unter dem Hashtag #closedbutopen haben viele Kunstsammlungen, Bibliotheken, Archive und Museen – abgekürzt mit dem englischen Akronym GLAM – in den letzen Wochen Außerordentliches geleistet. Es ging ihnen sicher nicht allein um Marketingziele wie Publikumsbindung, Sichtbarkeit und den Nachweis von Betriebsamkeit. Nein, aus den vielfältigen Initiativen spricht vor allem die Zuversicht der Mitarbeiter*innen der GLAM-Einrichtungen, dass Kunst und Kultur gerade in Zeiten der Krise und Verunsicherung lebensbejahenden Trost spenden. Die Einladung des Getty Museums, sich Kunst spielerisch anzueignen, zum Beispiel indem man zuhause berühmte Gemälde nachstellt und Bilder davon in den Social-Media-Kanälen postet, fand ein weltweites Echo im Bildungsbürgertum – und sorgte so für Unterhaltung und Entspannung. Das tägliche Hauskonzert des Pianisten Igor Levit begeistert tausende Menschen, die bis dahin kaum klassische Klaviermusik hörten, wie sie im parallelen Chat schreiben. Daneben stellen insbesondere Bibliotheken viele Services online zur Verfügung, um im Lockdown Forschung und Lehre weiterhin zu ermöglichen und um ihrem Auftrag als Wissensvermittler zu entsprechen. Ebenso entwickelte die digitale Transformation in Museen und Archiven eine ungeahnte Dynamik mit vielen kreativen Lösungen, selbst wenn diese mitunter etwas hölzern anmuten. Denn wir waren ja nicht über Nacht digitale Expert*innen geworden, nur weil von einem Tag zum anderen der Alltag unter dem Covid-19-Menetekel stand. Man kann sich demnach wieder bestätigt fühlen, wenn man der Ansicht ist, jede Krise birgt auch die Chance für etwas Neues und Gutes

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Ein Tweet aus unserem GND4C-Partnerkreis zur #GettyMuseumChallenge

 

image credit: Stolperstein Manteuffelstrasse 21, von OTFW, CC BY-SA via Wikimedia Commons

Alles hängt mit Allem zusammen

Sie fragen sich jetzt vielleicht, wie kommt die Autorin von den sehr konkreten Herausforderungen des Alltags als Kulturbeschäftigte unter erschwerten Bedingungen zu den doch eher abstrakten Herausforderungen, die mit Daten und – wohlmöglich mental noch weiter entfernt – mit Normdaten zu tun haben? Erlauben Sie mir dazu eine Geschichte...

Die Geschichte

Die Daten zu den jüdischen Mitbewohnern, die im Dritten Reich von den Deutschen aus Berliner Häusern deportiert und ermordet wurden, sind digital verfügbar und gut mit entsprechenden Geokoordinaten angereichert. Die ehrenamtliche Mitarbeiterin des FHXB-Museums konnte mir daher auch ohne Zugang zu ihrer Handbibliothek im Museum auf meine Anfrage rasch mitteilen, dass es nur im Nachbarhaus Deportationen von jüdischen Mitbürgern gegeben habe. Die Informationen zu anderen Opfern des Nazi-Regimes lägen ihr nicht digital vor. Bis das Museum in dem Corona-geschuldeten Lockdown auch wieder den ehrenamtlichen Mitarbeitern offen stehe, könne sie mir keine Auskunft geben, ob jemand aus dem Haus, in dem ich wohne, nach 1933 verschleppt, gefoltert und ermordet wurde. Dies stehe nur in ihren gedruckten Nachschlagewerken, schrieb sie mir. Für eine valide Auskunft müssen mehrere Daten aus unterschiedlichen Quellen miteinander verknüpft werden. Die heutige Adresse mit der Ortsangabe aus der Zeit vor neun Jahrzehnten. Biographische Informationen zu den an der Adresse verzeichneten Bewohnern, die Auskunft über ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe geben. Daten, ob diese damaligen Bewohner Verfolgte der Nazis waren und ob man etwas über ihr Schicksal weiß. Das heißt, mindestens vier bis sieben verschiedene Verzeichnisse muss die engagierte Frau für eine Antwort konsultieren. Sie muss Bücher aufschlagen, Listen überfliegen oder eventuell sogar Fließtexte lesen, Vergleiche ziehen und die Ergebnisse schließlich zusammenfassen. In einem umfassenden und funktionierenden Daten-Ökosystem, wie es inzwischen auch die Bundesregierung fördern will, wären all diese Informationen als Daten idealiter über Zeit- und Geokoordinaten oder eben Normdaten miteinander verbunden. Die Antwort wäre nur ein paar Klicks von der Frage entfernt.

Das Werkzeug

In der Bibliothekswelt ist das Koordinieren von Information eine zentrale Aufgabe. Angestrebt, im Dienste der Bibliotheksnutzer*innen, ist ein System, das es erlaubt, schnell und zuverlässig, aus vielen unterschiedlichen Perspektiven Material aus diversen Quellen miteinander zu verbinden. Über die Autorennamen, über die Schlagworte und die Systematik der behandelten Themen, über die Zeit, die Orte, die Werke, die Herausgeber*innen sowie Verlage oder Körperschaften kann man sich jeweils Zugang zu geordneten Informationen verschaffen. Alle Sammler*innen fangen früher oder später an, ihre Sammlung systematisch zu beschreiben, um ihre Objekte zu finden, den Bestand zu katalogisieren und um Informationen zu den Objekten der Sammlung mit diesen verknüpfen zu können. Getrieben durch den Leihverkehr der Bibliotheken haben letztere nur schon früher als andere GLAM-Sparten damit begonnen, diese systematisierende Beschreibung international zu standardisieren. Die Gemeinsame Normdatei (GND), die seit 2012 selbst wiederum Frucht einer Fusion unterschiedlicher Normdateien ist, ist ein solches Werkzeug der Bibliotheken zur Standardisierung der Erschließungsdaten. Durch die Normdaten werden unterschiedliche Medien nicht nur miteinander vernetzt, sondern zugleich auch der Arbeitsaufwand in der Erfassung von Objekten reduziert. Da man Information nicht wiederholen muss, auf die man verweisen kann. Heute enthält die GND circa acht Millionen Entitäten, mit denen sich bereits viele Phänomene im Kulturbereich gut und standardisiert beschreiben lassen. Ein sehr nützliches Werkzeug. Das Interesse der GLAM-Einrichtungen an Normdaten wächst im Zuge der digitalen Transformation exponentiell. Eine Vokabel, die gerade Teil der Alltagssprache geworden ist.

Unter dem Hashtag #closedbutopen publizierte Videoclip-Serie des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale)


#Openbutclosed

Der Hashtag, mit dem GLAM-Einrichtungen auf Twitter und Instagramm auf ihre Angebote in Zeiten von Corona hinweisen, passt erstaunlich gut auf die GND, wenn auch gewissermaßen spiegelverkehrt. Die Daten der GND sind offen. Sie stehen unter der freiesten Lizenz, die es für nicht gemeinfreie Inhalte gibt, Creative Commons Zero. Man kann sie daher jederzeit frei verwenden und sogar in Gänze als Datenbestand auf den eigenen Server herunterladen. Aber anders als andere strukturierte Daten zur Beschreibung der Welt, wie Wikidata, sind sie nicht frei editierbar. Die GND-Redaktionen sind "geschlossene Gesellschaften". Daher müsste man den Hashtag  spiegeln zu #openbutclosed, wollte man mit einem Hashtag die GND beschreiben. Ein Hauptgrund für diese "Geschlossenheit" ist die Verlässlichkeit, die man von Normdaten, im Gegensatz zu sonstigen strukturierten Daten, erwarten muss. Diese Verlässlichkeit garantieren im Fall der GND die sie erstellenden Institutionen. Dies sind bislang ganz überwiegend Bibliotheken. Über 1000 Bibliotheken in Deutschland, Österreich und der Schweiz arbeiten in der GND-Kooperative zusammen. Sie erstellen neue GND-Datensätze, korrigieren bestehende und entscheiden über die Regeln, nach denen hier verfahren werden muss. Denn natürlich basieren Standards auf Regeln. 

Die Öffnung der GND ist Teil der Strategie der Deutschen Nationalbibliothek, die die GND betreibt. Fragen, wie die gewünschte Öffnung gelingen kann, wenn man gleichzeitig weiterhin verlässlich bleiben will, untersucht das DFG-Projekt GND4C.

Eine Voraussetzung für Förderung

Im öfter ist die Vergabe von Drittmitteln in der Forschung und im Bereich der Digitalisierung des kulturellen Erbes an die Anwendung der so genannten FAIR Data Principles geknüpft. Damit möchten die Drittmittelgeber*innen sicherstellen, dass die Ergebnisse, heutzutage meist Daten in irgendeiner Form, nachhaltig nutzbar bleiben, indem sie auffindbar, zugänglich, verknüpfbar und nachnutzbar sind. Das geht über reine Urheberrechtsfragen weit hinaus, auf deren Erörterung die Debatte um den digitalen Wandel im GLAM-Bereich viele Jahre fokussierte.

Die GND verbessert die Sichtbarkeit der Daten

Der Einsatz von Normdaten in den eigenen beschreibenden Daten, den Metadaten, zu den digitalen Objekten und Digitalisaten, verbessert die Datenqualität deutlich für alle Teile der FAIR-Data Principles. Denn mit Normdaten steigt die Sichtbarkeit der eigenen Daten im Netz. Ein Beispiel: Alle Daten, die an den Normdatensatz zu Clara Schumann geknüpft sind, vom Wikipedia-Eintrag, ihren Werken und deren Interpretationen, über Bilder und Artikel zu Clara Schumann bis hin zu den von ihr bevorzugten Instrumenten, bilden einen Einstieg, über den man zum nächsten Datensatz kommen kann. Derart vernetzt deutlich mehr Einstiege als allein über die museumseigene Webseite. Daher ist die Auffindbarkeit (F) ihrer Daten für viele GLAM-Einrichtungen so wichtig. Ist die Sichtbarkeit doch ein wichtiger Gradmesser der Wirksamkeit der Einrichtung mit ihren Sammlungen. Die Verknüpfbarkeit (I) und Nachnutzbarkeit (R) der Daten gewinnt an Bedeutung, je mehr Anwendungen wie mobile apps Daten aus unterschiedlichen Datenquellen kombinieren. Auch hier leisten Normdaten durch ihre standardisierte Struktur einen essenziellen Beitrag zur Verbesserung der Datenqualität. Schließlich fördern sie zusammen dann die Zugänglichkeit (A) der Daten, indem sie die Integration der Daten auf großen Datenportalen wie der Deutschen Digitalen Bibliothek oder Europeana vereinfachen.

Mit der GND Arbeitsprozesse verkürzen

Ein weiterer wesentlicher Faktor in der digitalen Transformation sind die begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen in den Einrichtungen bei der Erschließung der digitalen Sammlungen mit Metadaten. Hier ist jedes Mittel recht, das Arbeitsprozesse verkürzt und trotzdem hohe Qualität gewährleistet. Die Inhalte der GND versprechen beides. Schließlich entspricht die GND selbst den FAIR Data Principles. 

Wenn Sie jetzt die GND für Ihre Daten nutzen wollen, dann sind Sie herzlich eingeladen. Sie können jederzeit Ihre Metadaten mit den GND-Identifikatoren, den GND-Nummern, anreichern. Verwenden Sie zum Beispiel bei der Erschließung Tools wie die O-GND, des GND4C-Projektpartners Bibliotheksservicezentrum Baden-Württemberg, um die entsprechenden Datensätze zu finden. Stimmt, schöner wären bei größeren Datenmengen natürlich automatisierte Prozesse. Daran arbeiten wir zurzeit.

image credit: Bildliche Darstellung von FAIR Data, von SangyaPundir, CC BY-SA, via Wikimedia Commons



Checklist zur digitalen Transformation und die Rolle von Daten. Entwickelt auf der Konferenz Zugang gestalten 2019 in Frankfurt am Main

(Zum Vergrößern auf das Bild klicken.)

 Ein Antrieb für die Digitale Transformation

In dem Projekt GND4C untersuchen wir, wie wir solche automatisierten Prozesse bereitstellen können. Unser Projektpartner digiCULT entwickelt hierzu in enger Zusammenarbeit mit Partnern an den sehr diversen Fallbeispielen des Projektes eine GND-Toolbox. Derzeit gibt es nur erste Teilstücke des Prototypen. Aber zum Ende des Projektes, im Januar 2021, können wir Daten verschiedener Formate mit den Normdaten der GND abgleichen und automatisiert eine Liste erhalten, welche der Datensätze der Quelldatei mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Treffer in der GND haben. Sie müssen dann nicht mehr händisch jeweils einzeln in der GND nachschlagen, ob beispielsweise die Kunstsammlerin Julia Stoschek, deren Ausstellungsplakate Teil Ihrer Sammlung sind, eine GND-ID hat und vermutlich identisch ist mit der Namensgeberin der Stoschek Collection. Sie können zudem die in der GND vorliegende strukturierte Information zum Vervollständigen Ihrer Daten nutzen. Künftig werden Sie alle Personen in Ihrer Datenbank gegen die GND en bloque matchen und erhalten eine Liste, die Ihnen klar zeigt, wo der match sehr sicher ist. Es werden die Kandidaten aussortiert, die Sie mit Ihrer Expertise noch selbst prüfen sollten, bevor Sie die GND-ID übernehmen. Es wird auch Personen, Sachbegriffe, Orte oder Werke geben, die noch nicht zu den acht Millionen Einträgen der GND zählen. Und auch dafür erarbeitet das GND4C-Projektteam Workflows, wie diese, falls erwünscht, in die GND aufgenommen werden können.

Die Öffnung der GND betrifft nicht nur die Daten, sondern auch die Öffnung der GND-Kooperative für neue Institutionen, die an der Edition der GND mitwirken wollen. Im Sommer starten zwei neue GND-Agenturen mit einem Angebot für Nicht-Bibliothekare ihren Pilotbetrieb. In den kommenden Blogposts möchten wir Ihnen die neuen GND-Agenturen mit ihrem Portfolio vorstellen. Hier in Kürze zu den Aufgaben der Pilotagenturen: Sie starten zunächst mit einem Angebot aus Information und Beratung. Es wird um Fragen gehen, wie

  • Welche Datenformate eignen sich für die Anwendung der GND-Toolbox?
  • Wie finde ich die GND-IDs zu meinen Datensätzen?
  • Welche sind die geltenden Relevanzkriterien für einen GND-Normdatensatz?
  • Welche Angaben sind erforderlich, damit ein Datensatz so vollständig ist wie nötig, damit er sich eindeutig von einem anderen vielleicht sehr ähnlichen unterscheiden lässt?
  • Wo kann ich eine GND-Redaktionsschulung bekommen?
  • (...)

Aber zunehmend wird es um die Bereitstellung von Zugängen gehen, über die neue GND-Datensätze nach Ihren Bedarfen von Ihnen angelegt und gepflegt werden können. Auch wenn es um freie Daten geht, ist es nicht frei im Sinne von Freibier. Die Datenanalyse und Datenredaktion bindet Ressourcen, ganz offensichtlich. Hierzu müssen wir Geschäftsmodelle entwickeln. Wir müssen gemeinsam mit Ihnen den kulturpolitischen Entscheidungsträgern klar machen, dass diese neuen Daueraufgaben in den Institutionen einer entsprechenden finanziellen Ausstattung bedürfen. Nur wenn es gelingt, die Datenqualität der Metadaten zu unserem kulturellen Erbe und Kulturgut auch durch den verstärkten Einsatz von Normdaten zu verbessern, werden unsere Bemühungen zur Sichtbarkeit, die wir gerade jetzt überall so kreativ erleben, Substanz haben.

Wir müssen zusammenkommen und reden

Über all diese Dinge wollten wir mit Ihnen sprechen und uns austauschen. Auf den drei regionalen, Informationsveranstaltungen, am 27. April in Leipzig, am 24. Juni in Frankfurt und am 14. September in Kiel, wollten wir mit Ihnen vor Ort ins Gespräch kommen. Wir wollten von Ihnen hören, was Sie brauchen, damit Sie die GND besser nutzen können. Wir wollten Ihnen die neuen Agenturen vorstellen und ihre Akteure. Wir wollten um Ihr Vertrauen und Ihre Geduld werben. Jetzt sind solche Begegnungen erst einmal nicht möglich.

Wir wollen dennoch mit Ihnen ins Gespräch kommen. Daher suchen wir jetzt mit Ihnen nach Alternativen im digitalen Raum. Nutzen Sie die Kommentarfunktion zu diesem Blog und schreiben Sie uns Ihre Fragen, Ihre Themen, die Sie behandelt wissen möchten. Erzählen Sie uns, was Ihnen lieber wäre. Entweder: Regelmäßige aber kurze "Sendungen" mit der Möglichkeit Fragen zu stellen. Oder: lieber ein langer Termin, wie die geplante Veranstaltung, nur eben als Videokonferenz.

Reden Sie mit uns, selbst wenn es erstmal nur ein Schreiben ist.

(Zum Vergrößern auf das Bild klicken.)

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