Blog-Eintrag vom Dezember, 2025

Es ist Dienstag, der 23. Dezember, letzter Arbeitstag. Ganz nüchtern betrachtet ein Datum wie jedes andere. Und doch ist der letzte Tag des Jahres ein stiller Appell: Zeit für Rückblicke, Bilanzen und – natürlich – Checklisten der Key Results. Wann eigentlich kam diese Idee auf, man müsse zum Jahresende Rechenschaft ablegen? In unseren Breitengraden entstand sie mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann zwischen der Vertreibung aus dem Paradies und der Einführung des Black Friday. Man darf annehmen, dass das Bilanzziehen sich nicht erst im Gefolge europäischer Kolonialherren über den Globus verbreitete, sondern vielerorts schon lange zuvor praktiziert wurde. Man zählt sein Hab und Gut, rechnet vor, was fehlt. Wenn man so viel besitzt, dass man seinen Besitz nicht mehr auf einen Blick erfassen kann, dann fängt man an, zu zählen, zu sortieren, zu kategorisieren und zu notieren … Yuval Harari beschreibt diese Entwicklung eindringlich in seinem Buch “Nexus”. Von der Organisation des Besitzes ist es nur ein kleiner Schritt zur Organisation des Wissens – und von dort zu den Normdaten. Da die Gemeinsame Normdatei zentrales Thema dieses Blogs ist, wäre das keine Überraschung.

Doch kehren wir noch einmal zur Ausgangsfrage zurück: Warum ausgerechnet am 31. Dezember? Warum nicht am 28. Februar? Auch da ist es kalt und trist. Man verpasst weder eine laue Sommernacht noch das Nachtigallenkonzert, wenn man sich stundenlang mit der Bilanz des vergangenen Jahres abmüht.

Weil es draußen kalt und dunkel ist, spielen zumindest auf der Nordhalbkugel Lichter und Kerzen in vielen Bräuchen eine wichtige Rolle. Die schwedische Lichterkönigin trägt eine Kerzenkrone in das dunkle Haus. Man misst die Zeit mit dem Adventskranz oder dem Chanukka-Leuchter. Heute sieht man vermutlich vom Weltall aus, wann und wo der große Konsumaufschwung im Jahr stattfindet. Die festlich beleuchteten Straßen und Hausglitzerketten vertreiben das winterliche Dunkel. Ende Februar ist es zwar auch kalt und dunkel, aber die Aussaat steht kurz bevor, daher ist keine Zeit zum Bilanzieren, wendet die Anthropologie ein. All diese Bräuche haben ihren Ursprung in der Naturbeobachtung der Altvorderen vor Tausenden von Jahren, unter anderem auf irgendeinem Hügel in Mitteleuropa. 

Ist es nicht erstaunlich, wie stur traditionsgebunden unsere Gewohnheiten sind? Da kaufen wir Erdbeeren im Dezember und essen Nüsse im Sommer. Wir begeistern uns für Technologien, mit denen wir den von uns gemachten Klimawandel einhegen wollen. Wir fliegen als Touristen ins Weltall und schwadronieren von Marskolonien. Wir drehen die Heizung weiter auf, wenn es draußen stürmt. Und wir beschweren uns, wenn wir für die 600 Kilometer nach Frankfurt im Zug länger als vier Stunden brauchen. Und trotz all dieses Fortschritts, all dieser tollen Errungenschaften und fabelhaften Erfindungen sitze ich hier Ende Dezember und soll einen Jahresrückblick schreiben. Nur weil es vor Ewigkeiten mal bedeutsam war, wann die Sonnenwende erfolgte? Sie merken es vielleicht: Hier regt sich der Trotz der Angestellten. Der leise Unmut, auf den letzten Metern noch einmal eine Schippe drauflegen zu müssen. Bahnt sich da ein Konflikt an?

Nein halt! Eine Sache, die nicht nur mir besonders wichtig ist, sondern auch die Gäste des Kolloquiums des Standardisierungsausschusses unisono betonten, ist die Zusammenarbeit. Ohne Kooperation mit den erforderlichen Kompromissen, gegenseitigem Verständnis und Respekt sowie der Bereitschaft, dem anderen den Vortritt zu gewähren, wäre unsere Arbeit unmöglich zu bewältigen. Und da ja bekanntermaßen das Fest der Liebe vor der Tür steht, lassen wir die Revolte ausfallen. Stattdessen ein großes Dankeschön an all jene, die in den letzten 365 Tagen – mal mit, meistens ohne KI – enorm viel geleistet haben. Damit die Gemeinsame Normdatei das bleibt, wofür sie geschätzt wird: Ein verlässliches Werkzeug zur Wissensorganisation in einer Welt, die gern etwas heller sein dürfte.

 

P.S. Wer jetzt fragt: Wo ist die versprochene Checkliste zum Jahresende, mit der man prüfen könnte, wie die Bilanz der GND ausfällt? Dem empfehle ich für die hoffentlich ruhige und gemütliche Zeit der Raunächte die Lektüre aller Blogposts dieses Jahres. Da finden sich Informationen zu den Veranstaltungen, technischen Entwicklungen und Kooperationen, die zusammen dem Jahr 2025 zu einer positiven Bilanz verhelfen.

Frohe Festtage, einen guten Rutsch und auf ein Neues in 2026.



Aus der Reihe "Was du heute kannst besorgen ..." Der GND Weihnachtsgruß 2025 AfS (DNB) CC BY  

Rückblick auf den Feedbackworkshop zur GND-Dokumentation am 24.11.2025

Mit der sukzessiven Veröffentlichung der Erfassungsregeln für die Normdatensätze der Gemeinsamen Normdatei auf der STA-Dokumentationsplattform im September hat die GND-Kooperative einen großen Schritt hin zur Fortschreibung ihrer Öffnung für die Expertise weiterer Communitykreise getan. In einem Workshop zur GND-Dokumentation bekamen Mitglieder aus Museen, Archiven und Forschungseinrichtungen, die mit der GND arbeiten, Gelegenheit, zu deren Struktur, Bedienfreundlichkeit und Verständlichkeit Feedback zu geben. Die Inhalte und Ergebnisse fasst dieser Blogpost zusammen.


Die Farbfolge eines Regenbogens folgt ganz ohne menschlichen Zutuns den immer gleichen Regeln.
Credit: Andrea Stöckel, public domain via public domain pictures 

Von Regeln und ihrem Nutzen

Ein Regenbogen, die Schwerkraft und die Trägheit der Masse folgen den immer gleichen Naturgesetzen - auch wenn uns das Anthropozän gerade hier zum Umdenken zwingt. In zwischenmenschlichen Bereichen helfen Regeln, Konflikte zu vermeiden, Prozesse zu effektivieren und die Zusammenarbeit zu fördern. Oft genug sind es genau die Regeln oder besser die Befolgung derselben, die zu einer besseren Qualität führen. Sei es mehr Sicherheit im Straßenverkehr durch die Straßenverkehrsverordnung oder die Verwendung von genormten Material im Bau. Oder mehr Vergleichbarkeit durch standardisierte Ausschreibungsverfahren oder mehr Gerechtigkeit durch Gesetze, die für alle gelten. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. In der digitalen Transformation des Kulturbereichs ebenso in der Wissenschaft und Forschung sollen gemeinsame Standards, letztlich Regeln, für mehr Interoperabilität, Vernetzung und verbesserte Auffindbarkeit beziehungsweise Sichtbarkeit der digitalisierten Inhalte sorgen. Eine besondere Rolle nehmen hier Normdaten ein. Die Daten der Gemeinsamen Normdatei (GND) bieten den Vorteil, dass sie auch unabhängig von dem Stand der Standardisierung insgesamt bereits all das oben Genannte unterstützen. Sie sind sozusagen die Vorhut der Standardisierung. Dies erklärt den hohen Nutzungsgrad der GND-Daten als persistentes Referenzsystem in Kultur und Forschung im deutschsprachigen Raum. (weitere Informationen: Erste Ergebnisse der Umfeldanalyse wurden in Form eines Whitepapers veröffentlicht: Schlösser, M., Schäffer, J., von Hagel, F., & Schäfer, F. (2024). Überblick über das Forschungsdatenmanagement in Museen und Universitätssammlungen. Zenodo. https://zenodo.org/records/13789201

Durch die verstärkte Nutzung der GND-Daten ergeben sich gerade in ihrer bedarfsorientierten Ansetzung auch erhöhte Bedarfe an neuen GND-Datensätzen oder an Ergänzung von bestehenden. Damit jedoch Normdaten ihre Referenzfunktion wirklich erfüllen können, müssen sie verlässlich sein. Diese Verlässlichkeit wird letztlich durch Regeln definiert und garantiert. Die Regeln, nach denen die GND-Datensätze angelegt werden, basieren wiederum auf internationalen Standards, niedergelegt im Regelwerk Resource Description Access – für den deutschsprachigen Raum in der Kurzform RDA DACH genannt. Vor der Veröffentlichung der STA-Dokumentationsplattform regulierte ein Lizenzmodell den Zugang zum RDA-Toolkit, mit dem Erschließende sich im Zweifel über die regelkonforme Darstellung von Katalogsdaten, wie Titel, Autor, Werk oder Ort, informieren konnten. Dieses Toolkit wurde ergänzt durch eine Vielzahl von aufeinander verweisenden und bezugnehmenden Textblättern, den Erfassungsleitfäden und Erfassungshilfen zur GND. Sich in diesem Geflecht zurecht zu finden war schwierig, auch wenn die Textblätter an sich über die Deutsche Nationalbibliothek allgemein zugänglich waren.  Es ist daher nur folgerichtig, dass mit der Öffnung der GND auch die Regeln zu ihrer Erfassung transparenter, partizipativer und vor allem lizenzfrei zugänglich gemacht werden mussten. Mit der Veröffentlichung der Erfassungshilfen für Akteure, Geografika und Körperschaften in der GND-Dokumentation sind wir diesem Meilenstein erheblich näher gekommen. In den kommenden Monaten sollen die Regeln für Werke, Konferenzen und Sachbegriffe folgen. 





Mit einer Workshopreihe begleitet die GND-Interessengruppe “Museen und Sammlungen” (IG MuS), unterstützt durch Mitarbeitende der GND-Zentrale, den Publikationsprozess. Eine Einführung in die Thematik erfolgte in dem ersten Workshop im Februar. Im Wesentlichen umreissen die beiden ersten Absätze des Blogposts die Perspektive der GND, wie das Thema im Workshop behandelt wurde. Der nebenstehenden Präsentation sind weitere Aspekte zu entnehmen.

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Vortrag zum ersten Workshop der IG MuS zur GND Dokumentation

Eine Einführung in die Arbeit mit der GND-Dokumentation

Für den Online-Workshop am 24. November konnten sich die Teilnehmenden aus der IG MuS und weitere Interessenten unmittelbar mit der GND-Dokumentation befassen. Dazu war zunächst eine Einführung in die Struktur der STA-Dokumentationsplattform mit ihren Bestandteilen Allgemeines, RDA DACH und GND erforderlich. Dies übernahm Andrea Hemmer (DNB). Sie erläuterte zu Beginn die inhaltlichen Abhängigkeiten zwischen RDA DACH und der GND am Beispiel von den Regeln zur Darstellung von Akteuren. Sie präsentierte unterschiedliche Möglichkeiten zur Suche und allgemein Begrifflichkeiten und Funktionalitäten der Plattform. Dann ging sie detailliert auf die Funktionen und Inhalte der GND-Dokumentation ein. Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang, dass der bereits erprobte offene Redaktionsprozess für den Standard RDA DACH künftig auch Diskussionen zu den Regeln in der GND-Dokumentation ermöglicht. Damit können community-spezifische Bedarfe durch Anwendergruppen und solche allgemeiner Natur adressiert und transparent umgesetzt werden. Die gesamte text- und abbildungsreiche Präsentation ist nebenstehend nachzulesen.


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Die Folien von Andrea Hemmer (DNB) als PDF.

Feedback gewünscht

Zentrales Element des Workshops war selbstverständlich das eigenständige Testen der Dokumentation durch die Teilnehmenden selbst.  Aufgeteilt in kleine Gruppen versuchten sie die nebenstehenden Aufgaben zu lösen. Ausgangspunkt war der Bedarf, einen regelkonformen GND-Datensatz zur Nadia Boulanger anzulegen.

Alle Teilnehmenden lösten die Aufgabe ohne Probleme. Der GND-Datensatz zu “Boulanger, Nadia” sollten mit dem Entitätencode piz, dem Ländercode XA-FXFR, den Lebensdaten * 16. September 1887 † 22. Oktober 1979 korrekt verknüpft werden, außerdem wären die Angaben zum Geburts-, Sterbe- und Wirkungsort als weitere Individualisierungsmerkmale, hier jeweils “Paris”, ebenso wie die Angabe ihres Berufes “Komponistin” ergänzt durch die Bezeichnung der Relationierung zu dem bereits vorhandenen GND Datensatz ihrer Schwester Lilli möglich. Die Leser*innen mögen selbst die Aufgabe in der GND-Dokumentation nachvollziehen, vielleicht zunächst ohne den in der obigen Lösung angegebenen Links zu folgen.

Natürlich fällt es jemandem, der nur sehr selten einen GND-Datensatz anlegen möchte, schwerer, sich in der Dokumentation zurecht zu finden als jemandem, zu dessen täglichen Aufgaben die GND-Arbeit gehört. Die Dokumentation bietet keine Eingabemaske für Entitätstypen, sondern bildet nur die Regeln zu deren Erfassung ab. Im Einzelfall kann eine detaillierte Schreibanweisung beim Anlegen von Datensätzen helfen. Neben kleineren Hinweisen zur Verbesserung der Verständlichkeit, wie der Erläuterung des Bibliotheksterms “Sucheinstieg”, lobten die Teilnehmenden die gute Verständlichkeit der Texte, die Erläuterungen mit Beispielen und das Farbkonzept zur leichteren Orientierung. Der für das zweite Quartal 2026 geplante dritte Feedbackworkshop wird sich dann den bis dahin hoffentlich vorliegenden Trainingsmaterialien zur GND-Doku widmen. Wir werden Sie informieren.

Bis dahin testen Sie gern selbst die GND-Dokumentation und lassen Sie uns Ihren persönlichen Kommentar zukommen. Auf jeder Seite der STA-Dokumentationsplattform finden Sie unten in der Menüleiste ein kleines Sprechblasen-Symbol; dies öffnet eine E-Mail an die Arbeitsstelle für Standardisierung mit dem entsprechenden Weblink in der Betreff-Zeile. Schreiben Sie uns, wenn Sie einen Tippfehler, einen Textfehler, eine Anmerkung oder ein Lob hinterlassen möchten. Wir freuen uns.

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Screenshot der Aufgaben im Feedbackworkshop zur GND-Dokumentation